Deutscher Suchtkongress
Bd. 1 Nr. 1 (2023): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2023.989

Substanzkonsum im sexuellen Kontext (S35)

Sexualerleben und Leidensdruck bei Chemsex-Usern - Ergebnisse einer Online Studie

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Marcus Gertzen (Universitätsklinikum Augsburg, Augsburg), Sinan Karcher (LMU Klinikum, München), Johanna Schwarz (LMU Klinikum, München), Cornelia Rosenberger (kbo-Isar-Amper-Klinikum, Haar bei München), Andrea Rabenstein (LMU Klinikum, München), Tobias Rüther (LMU Klinikum, München)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Chemsex, welcher primär durch Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben und mittels spezifischer Substanzen durchgeführt wird, beinhaltet schwere Risiken für die körperliche und seelische Gesundheit. Erklärungsmodell ist häufig das minority-stress Modell. Daten zu sozio-sexuellen Aspekten von Chemsex-Usern sind rar. Außerdem spielt Problembewusstsein eine bedeutende Rolle in der Therapie. Dies erscheint bei Chemsex aufgrund einer klinischen Unterversorgung von besonderer Bedeutung. Auch hier ist die Evidenz spärlich. Deshalb gingen wir den Fragen nach ob (i) Unterschiede bei sozio-sexuellen Aspekte zwischen Chemsex-Usern und Nicht-Usern bestehen und (ii) welche Faktoren Einfluss auf das Problembewusstsein haben.


Methoden
Es wurde ein anonymer Internetfragebogen mit Fragen zu Soziodemographie, sexueller Identität und Präferenz, Konsumverhalten, queerer Identität, Schamneigung, sexuellem Selbstkonzept und Problembewusstsein zwischen Dezember 2020 und Juni 2021 mittels convenience und snow-ball-sampling erhoben - wo möglich mittels validierter Skalen. Unterschiede in Subgruppen wurden mittels t-Test berechnet. Effektstärken wurden mittels Spearman-Korrelation oder Z-Transformation von Z-Werten des Mann-Whitney-U-Tests ermittelt. Zudem wurde ein multiples lineares Regressionsmodell zur Ermittlung von Einflussfaktoren auf den Leidensdruck berechnet.


Ergebnisse
Es konnten n= 3257 Datensätze (auswertbar: n= 1392) registriert werden. Als MSM (n= 781) definierte sich eine Mehrzahl der auswertbaren Datensätze, wobei n= 107 Chemsex-User waren mit einem Problembewusstsein bei n= 35. Hierbei ergab sich ein differenziertes Bild für die genannten Skalen. Für Scham, Internalisierungsprozesse und ein schwieriges Coming-out konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen Chemsex-Usern und Nicht-Usern gezeigt werden. Allerdings ergaben sich deutliche Signifikanzen bei Chemsex-Usern mit Problembewusstsein in Bezug auf ängstlich besetzte sexuelle Selbstkonzepte, Internalisierung und ein schweres Coming-out im Vergleich zu Chemsex-Usern ohne Problembewusstsein. Als größte Einflussfaktoren für Leidensdruck konnten sexuelle Ängstlichkeit, intravenöser Substanzgebrauch und ein schweres Coming-out identifiziert werden.


Diskussion und Schlussfolgerung
Allgemein werden Stärken und Limitationen der vorliegenden Studie und Internet Studien insgesamt diskutiert. Das Sexualerleben und Einflussfaktoren auf den Leidensdruck von Chemsex-Usern scheinen deutlich differenzierter zu sein, als bisher angenommen.


Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen
Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Gertzen, M., Karcher, S., Schwarz, J., Rosenberger, C., Rabenstein, A., & Rüther, T. (2023). Sexualerleben und Leidensdruck bei Chemsex-Usern - Ergebnisse einer Online Studie. Deutscher Suchtkongress, 1(1). https://doi.org/10.18416/DSK.2023.989