Deutscher Suchtkongress
Bd. 1 Nr. 1 (2023): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2023.985

Psychiatrische Komorbiditäten bei Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen (S34)

ADHS bei Schwerstabhängigen

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Henrik Rohner (Universitätsklinikum Bonn, Bonn)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
In den letzten Jahren steht das Aufmerksamkeitsdefizits-/Hyperaktivitätssyndrom mit Persistenz im Erwachsenenalter immer mehr im Fokus der Suchtforschung. Es ist bekannt, dass Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen überdurchschnittlich häufig unter ADHS leiden. Allerdings lag hierbei bisher der Fokus der Forschungsbemühungen selten auf Menschen mit einem Opiat- bzw. Multisubstanzabhängigkeitssyndrom. Im Rahmen dieses Vortrags sollen Daten einer Metaanalyse sowie einer klinischen Studie zur Prävalenzmessung von ADHS bei Menschen mit einer primären Opiatabhängigkeit aus der Bonner Diamorphinambulanz sowie einer Bonner Substitutionsambulanz des Verein für Gefährdetenhilfe vorgestellt werden.


Methoden
In der Metaanalyse wurden Datenbanken systematisch gemäß PRISMA-Guidelines nach Studien zur Prävalenzmessung von ADHS bei Substanzgebrauchsstörungen analysiert. Zusätzlich wurde versucht, die Prävalenzen für die verschiedenen Substanzen zu erfassen.
Bei der klinischen Studie wurden 106 Patient*innen, die sich entweder in der Bonner Diamorphinambulanz oder in der Substitutionsambulanz des Bonner Vereins für Gefährdetenhilfe (VfG) in Behandlung befinden zunächst mittels gängiger Screeningtools (ADHS-SB, WURS-K) auf das Vorhandensein eines ADHS gescreent. Bei bestehendem Verdacht wurde mittels ausführlicher klinischer und psychometrischer Untersuchung (DIVA 2.0) der Verdacht bestätigt oder verworfen.


Ergebnisse
Für die Metaanalyse wurden 31 Studien mit zusammen 12.524 Proband*innen herangezogen. Die Gesamtprävalenz von ADHS bei Substanzkonsumstörungen lag bei 21%, wobei die Daten heterogen waren. Für die einzelnen Untergruppen von Substanzgebrauchsstörungen (25% Prävalenz bei Alkohol, 18% bei Opiaten) gab es jedoch nur unzureichende Daten.
Unter den 106 Teilnehmenden der klinischen Studie waren 20,8% Frauen und das Durchschnittsalter lag bei 49,58 Jahren. 22,6% erfüllten die Kriterien für ein ADHS im Kindesalter. Bei 17.9 % konnte die Diagnose auch im Erwachsenenalter bestätigt werden. Bei 83,3% war das ADHS nicht vorbekannt. Die Prävalenz in der diamorphinsubstituierten Patient*innengruppe war mit 14,3% niedriger als in der regulär substitutierten Gruppe (20,3%).


Diskussion und Schlussfolgerung
Nach wie vor bleibt ADHS eine weiterhin unterdiagnostizierte Komorbidität bei Substanzkonsumstörungen. Frühzeitigeres Erkennen und Behandeln könnte hierbei die Entstehung bzw. schwere Verläufe von Suchterkrankungen verhindern. Entsprechende Leitfäden müssen dringend entwickelt werden.


Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen
Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Rohner, H. (2023). ADHS bei Schwerstabhängigen. Deutscher Suchtkongress, 1(1). https://doi.org/10.18416/DSK.2023.985