Deutscher Suchtkongress
Bd. 1 Nr. 1 (2023): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2023.948

Unterschiedliche Aspekte der Belohnungsverarbeitung bei Suchterkrankungen (S24)

Cue reactivity bei der Pornografie-Nutzungsstörung

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Rudolf Stark (Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen), Bertram Walter (Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen), Miriam Kampa (Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen), Kseniya Krikova (Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Die Pornografie-Nutzungsstörung kann als eine Unterform der Störung mit zwanghaftem Sexualverhalten verstanden werden. Diese Störung ist im ICD-11 neu im Kapitel „Störungen der Impulskontrolle“ eingeführt worden, obwohl viele Wissenschaftler die Störung eher zu den Verhaltenssüchten zählen würden. Bei Suchterkrankungen kommt der cue reactivity, also der konditionierten Reaktionen auf Reize, die das Suchtmittel oder das Suchtverhalten ankündigen, eine wichtige ätiologische Rolle zu. Daher könnten Einblicke in die cue reactivity bei der Pornografie-Nutzungsstörung dabei helfen, die nosologische Einordnung der Störung zu überdenken.


Methoden
In einer fMRT Studie wurden ca. 200 Probanden mit risikoarmem, riskantem und pathologischem Konsum von Pornografie mit einer Sexuellen Incentive Delay Task untersucht. Mit Hilfe dieser Aufgabe lassen sich hirnphysiologische Reaktionen erfassen, einerseits auf die Reize (einfache Symbole), die sexuelles Material ankündigen und andererseits die Reaktionen auf explizit sexuelles Material (kurze sexuelle Filmclips).


Ergebnisse
Die Ergebnisse belegen eindrücklich, das sowohl ankündigende Reize (cues) als auch explizites sexuelles Bildmaterial zu erhöhten Aktivierungen im Belohnungssystem führen, wenn man die Reaktionen mit einer Vergleichsbedingung (Massagefilme) kontrastiert. Diese Reaktionen, also auch die cue reactivity, scheinen aber kaum von dem Ausmaß einer Pornografie-Nutzungsstörung abzuhängen.


Diskussion und Schlussfolgerung
Im Gegensatz zu anderen Studien ist eine erhöhte cue reactivity bei Menschen mit zunehmendem, problematischem Konsum von Pornografie in dieser Studie kaum nachweisbar. Dies ist möglicherweise auf besondere experimentellen Bedingungen in dieser Studie zurückzuführen. Es stellt sich die Frage, ob bei der Pornografie-Nutzungsstörung ein Unterschied zu anderen Süchten vorliegt, da sexuelle Reize angeborene, biologische Verstärker sind. Dies könnte erklären, warum suchtspezifische Effekte in der cue reactivity von einer allgemeinen cue reactivity auf biologisch hoch saliente Reize überlagert werden.


Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen
Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.


Erklärung zur Finanzierung: DFG

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Stark, R., Walter, B., Kampa, M., & Krikova, K. (2023). Cue reactivity bei der Pornografie-Nutzungsstörung. Deutscher Suchtkongress, 1(1). https://doi.org/10.18416/DSK.2023.948