Deutscher Suchtkongress
Bd. 1 Nr. 1 (2023): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2023.868

Zur Crackproblematik in Deutschland und möglichen Vorschlägen zu Harm-Reduction und Behandlung (S03)

„Warum oder wieso, das weiß eigentlich keiner“ - Eine qualitative Studie zum Crack-Konsum in Frankfurt

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Bernd Werse (Goethe-Universität Frankfurt, Frankfurt am Main), Lukas Sarvari (Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz), Jennifer Martens (Goethe-Universität Frankfurt, Frankfurt am Main)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Crack ist seit mehr als zwei Jahrzehnten eine der meistkonsumierten Substanzen in der Frankfurter Szene marginalisierter Drogenkonsument*innen, seit einigen Jahren die unbestrittene Nr. 1. Die öffentliche Diskussion um die Droge und die Szene hat seither deutlich zugenommen, u.a. im Zusammenhang mit fortschreitender Verelendung. Die Gründe für die Dominanz von Crack waren und sind unklar, weshalb für die vorliegende Studie die Konsument*innen selbst einer näheren Betrachtung unterzogen wurden.


Methoden
Mittels teilstrukturierter qualitativer Interviews wurden Daten von 30 Personen (12 Frauen, 18 Männer) erhoben, die in der Öffentlichkeit, vor allem in der Nähe von Hilfseinrichtungen, angesprochen wurden. Hauptinteresse der Befragung waren Gebrauchsmuster, Motive für den Crack-Konsum, Meinungen zur Substanz und Verbindungen zum lokalen drogenpolitischen Diskurs. Die Interviewtranskripte wurden mithilfe einer eingehenden qualitativen Analyse ausgewertet.


Ergebnisse
Alle Befragten konsumieren regelmäßig Crack sowie verschiedene andere Drogen; die Hälfte befindet sich aktuell in Opioidsubstitution. Gebrauchsmuster mit Crack variieren zwischen mehrstündigen oder mehrtägigen „Binges“ und regelmäßigeren Konsumformen. Viele Befragte können keine besonderen Motive für den Crack-Konsum nennen. Stattdessen wird häufig berichtet, dass die Droge den Alltag beherrsche. Gleichzeitig kursieren teils paradox anmutende Mythen über in der Szene kursierende Handelsformen von Crack. Eine Mehrheit bezeichnet den bloßen Aufenthalt im Kernbereich der lokalen Drogenszene als stärksten Auslöser für den Konsum.


Diskussion und Schlussfolgerung
Die Wahrnehmung einer Triggerfunktion des bloßen Szeneumfelds unterstreicht die Bedeutung sozialräumlicher Faktoren für Konsumgewohnheiten: Öffentliche und individuelle Auffassungen über das Suchtpotenzial der Droge – trotz durchaus variabler Konsummuster – verstärken sich gegenseitig und tragen zum beobachteten „motivlosen“ und dennoch allgegenwärtigen Konsum bei, im komplexen Zusammenspiel mit Stigmatisierung, Identitätskonstruktion und natürlich der konkreten Drogenwirkung. Letztere hat eine gewisse Bedeutung für das ‚Funktionieren‘ innerhalb des Szenealltags; zur Substitution von Crack ist indes zumindest für einige Betroffene aber auch das völlig anders wirkende Cannabis hilfreich.


Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen
Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.


Erklärung zur Finanzierung: Stadt Frankfurt am Main, Drogenreferat

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Werse, B., Sarvari, L., & Martens, J. (2023). „Warum oder wieso, das weiß eigentlich keiner“ - Eine qualitative Studie zum Crack-Konsum in Frankfurt . Deutscher Suchtkongress, 1(1). https://doi.org/10.18416/DSK.2023.868