Deutscher Suchtkongress
Bd. 1 Nr. 1 (2023): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2023.1056

FOR2974: Belohnungserleben und -erwartungen bei spezifischen Internetnutzungsstörungen (S51)

Die empirische Überprüfung einer Dual-Prozess-Hypothese für computerspielbezogene Kognitionen und Entscheidungen

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Annika Brandtner (Universität Duisburg-Essen, Duisburg), Silke M. Müller (Universität Duisburg-Essen, Duisburg), Matthias Brand (Universität Duisburg-Essen, Duisburg)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Aktuelle Theorien zur Computerspielstörung nehmen an, dass in frühen Stadien der Suchtentwicklung zunächst belohnende Prozesse (positive Verstärkung, positive Nutzungserwartungen), und in späteren Stadien immer mehr kompensierende Prozesse (negative Verstärkung, Vermeidung aversiver Zustände) an der Entstehung und Aufrechterhaltung des exzessiven Verhaltens beteiligt sind. Die vorliegende Studie untersucht den Effekt zweier einflussnehmender Pfade (Gratifikation/Kompensation) auf die mentale Elaboration einer Spielsituation (Desire thinking) und Spielhäufigkeit im Alltag.


Methoden
Eine Stichprobe von N=127 Personen, die Computerspiele spielen, wurde für die Laborstudie rekrutiert. Nach einer umfangreichen Diagnostik, inklusive klinischem Interview, wurde das Spielverhalten der Teilnehmenden entweder als „gelegentlich“ oder als „riskant“ eingestuft. Das Erleben und die Erwartung von Gratifikation und Kompensation durch das Spielen wurden mittels Fragebögen erfasst, gefolgt von einem 14-tägigen End-of-day Ambulatory Assessment, bei dem die Intensität von Desire thinking und die Spielhäufigkeit erfasst wurden. Neben Gruppenunterschieden testeten wir die Zwei-Pfade-Hypothese über einen Gratifikations- und einen Kompensationspfad in einem Strukturgleichungsmodell.


Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass Desire thinking und die Spielhäufigkeit sowie das Belohnungserleben und Nutzungserwartungen bei Personen mit riskantem Spielverhalten im Vergleich zu Gelegenheitsspieler:innen erhöht sind. Im Strukturgleichungsmodell wird der Zusammenhang zwischen Spielverhalten (gelegentlich versus riskant) und Desire thinking durch kompensierende Erfahrungen und Erwartungen, jedoch nicht durch belohnende Aspekte vermittelt. Die Spielhäufigkeit wird im Strukturgleichungsmodell nur durch die Gruppenvariable (gelegentlich versus riskant) vorhergesagt.


Diskussion und Schlussfolgerung
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Personen mit riskantem Spielverhalten stärkere erlernte Verstärkungskontingenzen haben, mit besonders deutlichen Unterschieden bei kompensierenden Prozessen. Die tägliche Nutzung scheint von diesen Kontingenzen unbeeinflusst zu sein, was möglicherweise auf habitualisierte Verhaltensweisen hindeuten könnte. Darüber hinaus liefern die Ergebnisse weitere Belege für die Berücksichtigung von Desire thinking als spezifische Coping-Erwartung, die als konkreter Mechanismus im therapeutischen Setting Berücksichtigung finden sollte.


Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen
Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.


Erklärung zur Finanzierung: DFG (FOR 2974, ACSID, Projekt-Nr.: 411232260)

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Brandtner, A., Müller, S. M., & Brand, M. (2023). Die empirische Überprüfung einer Dual-Prozess-Hypothese für computerspielbezogene Kognitionen und Entscheidungen. Deutscher Suchtkongress, 1(1). https://doi.org/10.18416/DSK.2023.1056